Woher kommen die Märchen?

In einem Land in Afrika erzählt man sich: Die Geschichten kommen aus dem Meer. Der König der Meere hat einer alten Frau, die sich nach Geschichten sehnte, eine Muschel geschenkt. Diese erzählte der alten Frau so viele Geschichten, wie sie hören wollte. Und natürlich hat die Frau die Geschichten weitererzählt.

Braungetupfte Kaurimuschel auf grünem Stoff
Märchenmuschel

Die Seneca, die zur Irokesen-Liga gehören, erzählen, dass ein Stein erst einem Waisenjungen und dann allen Menschen des Dorfes die Geschichten erzählt hat. Als der Stein alle Geschichten erzählt hatte, forderte er die Dörfler auf, die Geschichten von nun an selbst weiter zu erzählen.

Stein mit Flechten und Moosen
Märchenstein

Auch die Mongolen erzählen von einem Waisenjungen. Er hieß Tarwaa. Erlik Khan, der Herr der Unteren Welt, schenkte ihm die Märchen und Geschichten der Mongolen. Tarwaa zog durch die ganze Mongolei und brachte seine Geschichten unter die Leute.

Felsspalt
Eingang in die Untere Welt

Märchen schenken uns, gleichgültig ob sie nun eine Minute oder eine Stunde dauern, einen Einblick in eine andere Welt, in der es viel zu sehen, zu hören, zu riechen und zu schmecken gibt:

Da ist der Duft von Rosen, frischem Brot oder einem Apfelgarten im Herbst, wenn das Laub gerade von den Bäumen fällt…

Zwei rosa Rosen am Strauch
Rosenbusch

Wir hören das Flüstern der Liebenden, das Schimpfen der Stiefmutter, das Weinen der Verzweifelten, das Singen und Lachen fröhlicher Menschen. Da steht ein Palast mit tausend Zimmern, der wie ein Irrgarten gestaltet ist. Unser Blick fällt auf wunderschöne Gärten, liebliche Prinzessinnen und schöne Prinzen. Das Märchen selbst trägt kostbare Gewänder in vielen Farben, die jedes Auge und jedes Herz entzücken.

Wollen die Märchen weiter erzählt werden?

Ja, ganz sicher. Da könnte ja jeder kommen, Märchen sammeln und in irgendein Buch oder in einen Beutel stecken! Da werden die Märchen richtig wütend. Was Märchen alles tun, wenn man sie nicht weiter erzählt, erfahrt ihr in dem koreanischen Märchen „Der Märchenbeutel“.

Prall gefüllter Patchwork-Beutel
Märchenbeutel

Ich erzähle die Märchen, die ich kenne, weiter, damit diese mir wohl gesonnen sind.

Aber was bedeuten die Märchen?

Alle Märchen, die ich erzähle, haben eine Bedeutung für mich, denn sonst könnte ich sie gar nicht erzählen.

Wenn die passende Geschichte zur richtigen Zeit erzählt wird, ist es da nicht gleichgültig, was Märchen bewirken (können), wenn es genau das ist, was die Zuhörer*innen brauchen? Mich inspirieren die Menschen für die ich erzähle und auch der Erzählort. Oder ich erfülle wie eine Fee die Wünsche derjenigen, die mich einladen.

Natürlich habe ich Lieblingsmärchen oder Märchen, die mich besonders berühren und die mich jahrelang begleiten.

Die Märchen wirken auf jeden Menschen ganz unterschiedlich und deshalb halte ich mich, wie Nasreddin Hodscha in der Geschichte „Der Geschmack einer Orange“, mit Interpretationen zurück.

Saftige, appetitanregende Orangenspalten
Saftige Orangenspalten

Denn weshalb sollte ich Dir das Vergnügen nehmen, die Märchen für Dich selbst zu entdecken?