Erzählerin

Foto von Ulrike Lefatz

Schon der März war ein anstrengender Monat, denn ich hatte das Gefühl, für jeden Schritt, den ich nach vorne mache, einen Rückschritt zu machen. Das hat sich im April noch gesteigert. Ich musste mich durch einen Wust alter Gefühle durcharbeiten. Im Grunde ist nichts wirklich Schlimmes passiert, es war die schiere Menge der Ereignisse, die mich überrollt hat.

Meine Märchenveranstaltungen

Der April stand ganz im Zeichen des 15. Jubiläums von Märchen-im-Turm. Aber meinen ersten Auftritt in diesem Monat hatte ich beim 60. Geburtstag meiner Schwester. Sie hatte sich eine „Ja, genau“-Geschichte gewünscht, die ich zusammen mit allen Gästen erzählen sollte.

 

Ja, genau, wir erzählen uns eine Geschichte

Zur Einstimmung erzählte ich ein Märchen. Danach forderte ich die Gäste auf eine Geschichte, die wir vor einiger Zeit gemeinsam erlebt hatten, zu erzählen. Ich hatte auch einige Gegenstände dabei, um die Fanstasie der Gäste anzurgen, aber ich habe sie, bis auf einen, nicht gebraucht.

Eigentlich ist der Witz an der „Ja, genau“-Geschichte, dass sie in der Vergangenheit spielt. Das war meiner Schwester zu unrealistisch, also griff ich zu einem Trick und erinnerte die Geburtstagsgesellschaft an „Momo und die grauen Herren“ von Michael Ende. Darin erzählt der Autor von seinem Treffen mit Meister Hora, der ihm die Geschichte von Momo so erzählte, als sei sie schon geschehen. Aber sie könnte auch noch geschehen. Für Meister Hora machte das keinen Unterschied.

Also begann ich die Geschichte mit den folgenden Worten: „Es wird geschehen oder ist schon einmal geschehen, denn das macht, wie bei Meister Hora in der Geschichte von Momo, keinen Unterschied. Wie wir das letzte Mal so beisammen saßen, da klopfte es plötzlich. Was kann es hier, in einem Mehrfamilienhaus klopfen? Wenn jemand hinein will, dann klingelt er doch. Wir haben nicht darauf geachtet. Aber es klopfte noch einmal und ein drittes Mal. Da bin ich neugierig geworden und an die Tür gegangen und habe geschaut. Aber niemand stand davor. Es roch so seltsam, Fußspuren waren zu sehen. Aber, was dann geschehen ist, daran erinnert sich bestimmt meine Schwester besser.“ – „Ja, genau ich bin dann auch zur Tür gegangen und….“

Dann ging das Abenteuer los. Alle Gäste beteiligten sich und erzählten realistisch, ironisch oder märchenhaft die Geschiche weiter, die uns, nach einer abenteuerlich Reise, wieder zurück zur Wohnung meiner Schwester brachte.

Mir hat es richtig gut gefallen. Es fasziniert mich, dass dieses Format einen wilden Genre-Mix verträgt und dabei eine stimmige Geschichte herauskommt, die alle zum Mitmachen einlädt.

 

Unser 15. Jubiläum von Märchen-im-Turm

Wir feierten gleich zweimal, einmal mit einem Märchenabend im Turm und einmal mit einer Sternwanderung von allen vier Türmen in denen wir in dieser Zeit erzählt haben zum Handwerksmusem Kühnertsgasse 22|20|18 der Altstadtfreunde in Nürnberg. Dort gibt es an jedem letzten Sonntag im Monat „Kaffee und Kuchen wie bei Oma“ und eine aus unserer Gruppe erzählt eine halbe Stunde lang Märchen.

Reingard Fuchs hatte den Kontakt hergestellt und mit der Leiterin, Frau Uehlein, Folgendes vereinbart:
An diesem Tag sollten drei Erzählerinnen in den drei Stuben des Museums parallel erzählen. Im Anschluss wollten wir noch ein wenig mit den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen des Museums zusammensitzen und feiern.

Das 15. Jubiläum im Turm

Wir haben es unser Gläsernes Jubiläum genannt, so wie man das auch bei Hochzeiten macht. Auch diese Veranstaltung wird, wie alle Abende bei Märchen-im-Turm, von wechselnden Erzählenden vorbereitet. Dieses Jahr bildeten meine Kolleginnen Heike Appold, Hella Rißmann und ich das Orgateam. Beim Jubiläum wollten alle 11 Erzählenden unserer Gruppe miterzählen. Auch dieser Abend sollte nicht länger als 90 Minuten plus 10 Minuten Pause dauern. Für gewöhnlich gibt es bei unseren Märchenabenden nur wenig Musik, aber bei den Jubiläen spielt, zu unserere großen Freude, unsere Kollegin Katharina Hofmann auf ihrer Veeh-Harfe. Viele (Miterzählende und Publikum) hatten sich ein Puppenspiel von Hella Rißmann gewünscht. Das alles wollte untergebracht werden. Es blieben also 6 Minuten für jeder Erzählende!

Aber, oh Wunder! Im Grunde genommen haben wir es gut geschafft. Fünf von 11 Erzählenden haben kürzere Märchen angeboten, so dass zwei andere länger erzählen konnten. Drei von uns, darunter auch ich, machten eine Punktlandung. Leider musste Hella Rißmann aus privaten Gründen absagen.

Ich machte den Anfang und erzählte aus der Geschichte von Märchen-im-Turm. Wir haben in vier  Stadtmauertürmen in Nürnberg erzählt, die wie alle 74 Türme der Stadt Nürnberg, einen Buchstaben und eine Farbe haben.

Dann führte ich ins Thema „Glas“ ein. Da musste ich mich leider kurz fassen. Über diesen Werkstoff, den ersten transparenten Werkstoff in der Geschichte der Menschheit, gibt es so viel zu erzählen. Die ersten gläsernen Gegenstände waren Glasperlen. Diese gibt es schon seit dem 25. Jahrhundert v.u.Z. Deshalb habe ich an diesem Abend eine Glasperlenkette mit blauen Chevron-Perlen aus Venedig getragen, die schon 200 Jahre alt sind.

Heike Appold und ich hatten die Moderation in mehreren Blöcken unter uns aufgeteilt, um dem Abend mehr Schwung zu verleihen und Zeit zu sparen. Jeweils zwei oder drei Erzählerinnen traten hintereinander auf. Unser Erzähler beschloss den Abend mit dem Märchen „Der Wind und die Kerze“. Der Wind und die Kerze treffen einander. Der Wind findet: „Wir passen gut zusammen.“ Die Kerze stimmt zu: „Davon gehe ich aus.“ Die Kerze wurde ausgeblasen und der offizielle Teil des Abends war beendet.

Dann haben wir uns nach dem Aufräumen bei Sekt, Orangensaft, Nussecken und Käseplätzchen zusammengesetzt und den Abend zusammen ausklingen lassen.

Das hätte alles so schön sein können, wenn ich nicht meine beiden Miterzählerinnen im Handwerksmuseum gefragt hätte, welche Märchen sie am Sonntag erzählen wollen, damit es keine Doppler gibt. Da warf mir eine Erzählerin vor: „Du hast es doch organisiert und ich weiß immer noch nicht, in welcher Stube ich erzählen soll.“ Ich entgegnete ihr: „Nein, für die Veranstaltung in der Kühnertsgasse bin ich nicht zuständig. Ich habe heute zusammen mit Heike Appold den Jubiläumsabend hier im Turm organisiert.“ Heike Appold stimmte mir zu: „Genau so ist es. Ich bin nicht einmal am Sonntag dabei.“

Ich hoffte, dass wir dieses Thema geklärt hätten, weit gefehlt.

Sternwanderung zum Handwerkermuseum

 

Eingang und Dekoration im Bürgermeisterturm, Turm Grün M, unserem ersten Turm

 

Von jedem der vier Türme führten ein oder zwei Erzählerinnen interessierte Zuhörende zum Handwerksmuseum. Wir hatten Glück, denn es war ein schöner Tag. Von den geplanten sieben Erzählerinnen mussten zwei aus privaten Gründen absagen. Eine habe ich vertreten. Ihr Spaziergang führte vom Spittlertorturm Rot Q zum Handwerksmuseum. Da die Anfrage relativ kurzfristig kam und ich nicht so weit laufen kann, habe ich nur zwei Märchen erzählt und gehofft, dass alle Zuhörenden ohne meine Begleitung zum Handwerkermuseum gehen.

Das eine Märchen war das palästinensche Märchen „Der Herr der Vögel“, das ich schon am Jubiläumsabend im Turm erzählt hatte. Das andere war „Gerade genug“, über das ich schon hier im Blog geschrieben habe.

Die Zuhörenden sind tatsächlich ohne mich zum Handwerksmuseum gegangen. Das hat mich sehr gefreut.
Im Handwerksmsuseum waren an diesem Tag mindestens 70 Leute, angeglockt vom Museum und vom schönen Wetter. Um 16 Uhr sollten wir drei Erzählerinnen erzählen. Monika Weigel und ich sahen uns nach der Dritten um. Die hatte sich bereits in der Bohlenstube im 1. Stock eingerichtet, kam kurz raus, zischte mir zu: „Du hättest die Stuben verteilen sollen. Das hast du nicht gemacht, da habe ich mir die genommen!“ Und war schon wieder drin. Ich rief ihr nach: „Das stimmt nicht!“ Meine Kollegin draußen bremste mich: „Komm, lass uns erst mal erzählen!“

Da blieb mir nichts anderes übrig, als die Barockstube im 2. Stock zu nehmen, denn meiner Kollegin Monika Weigel wollte ich das nicht zumuten. Die Treppe in den 2. Stock gleicht einer Hühnerleiter, oben ist sie leicht gewendelt, wie das in einem mittelalterlichen Haus, in dem man keinen Platz verschwenden wollte, so üblich ist. Ich hatte ein mulmiges Gefühl, wenn ich an den Abstieg dachte.

Meine Kollegin Hildegard Michaelis besuchte mich und blieb auch, während ich erzählte. Ich erzählte ihr von meinem Ärger mit der dritten Erzählerin und fragte sie: „Wer war denn zuständig für die Verteilung der Stuben?“ Letztendlich hatten es die Vorbereiterinnen vergessen. „Wo Menschen etwas machen, passieren Fehler“, ist eine alte Weisheit. Eigentlich wäre es auch kein Problem, wenn mich diese Erzählerin nicht dafür verantwortlich gemacht und mich damit mitten in mein Selbstverständnis als gute und zuverlässige Organisatorin getroffen hätte.

Nach dem erfolgrichen Erzählen in der von ihr gewählten Stube hätte es die dritte Erzählerin gut sein lassen können, aber sie ärgerte sich offensichtlich immer noch, denn bevor sie ging, sagte in meine Richtung: „Ich ruf dich an, wir müssen noch einmal miteinander reden.“ – „Das finde ich auch!“

Und dann knallten wir erst richtig aneinander. Ich stand bis unter die Haarspitzen unter Adrenalin. Nicht, dass wir uns gegenseitig beschimpft hätten, es waren mehr die Lautstärke und der Tonfall.

Zum Schluss, wir standen schon draußen, drehte sich die Erzählerin um und eilte die Gasse hinunter. Dabei rief sie über ihre Schulter: „Das bist du mir jetzt nicht wert!“ Darauf antwortete ich: „Aha, so viel zum Thema Gemeinschaft!“ Diese Erzählerin beruft sich gerne auf unsere Gemeinschaft.

An diesem Tag hatte Betty Vulkan einen kurzen, eindrücklichen Auftritt. Was war so schlimm? Womit hat sie mich so getroffen? Wenn man sich so aufregt, wie ich an diesem Sonntag, dann ist eines klar: Es geht nicht darum, was diese Erzählerin gesagt und in welchem Tonfall sie mit mir gesprochen hat. Es geht um meine Emotionen und meine unerfüllten Bedürfnisse:

Das waren zwei Dinge:

  1. Ich konnte die Erzählerin nicht davon überzeugen, dass das Verteilen der Stuben nicht meine Aufgabe gewesen war.
  2. Der Satz: „Das bist du mir nicht wert.“

Das Gefühl, gegen Windmühlenflügel zu kämpfen, kenne ich vom Ullrich-Turner-Syndrom (UTS). Seit 40 Jahren ist bekannt, dass wir nicht alle geistig retardiert sind und doch geschieht es immer wieder, dass Frauen mit UTS, gerade bei Ärzten, auch noch in den 20er Jahren des 21. Jhds.!, mit diesem Vorurteil konfrontiert werden.

Außerdem:
Mit mir und meinesgleichen muss sich niemand auseinandersetzen. Man kann uns schon vor der Geburt durch eine Abtreibung aus der Welt schaffen. Das empfinde ich als die ultimative Kränkung. So Jemandem wie mich muss es gar nicht geben.

Solche emotionalen Ausbrüche erschöpfen mich und kosten wirklich Kraft.

Vorbereitungen für das Jahrestreffen

Arbeit und Vergnügen beim Vorbereiten

Es ist immer wieder überraschend zu erleben, wie heftig es hinter den Kulissen rumpeln kann. Besonders die Zimmerverteilung entwickelt sich oft zur Neverending Story. Die Teilnehmenden, diese Unschuldslämmer, merken oft nichts davon, glücklicherweise!

Manchmal sagt eine Referentin oder ein Referent ab und wir müssen kurzfristig für Ersatz sorgen.

Außerdem brauchen die Tagungshäuser viele Informationen: Alter und Anzahl der Kinder, Anzahl der Übernachtungs- und Tagesgäste, Anzahl der Mahlzeiten morgens, mittags und abends an allen Tagen, Anzahl der Vegetarier*innen, Nahrungsunverträglichkeiten, ….

Immer mehr Inforrmationen werden benötigt und es dauert gefühlt immer länger, bis ich sie sortiert und für das Tagungshaus aufbereitet habe. Essen, Trinken und ein angenehmes Zimmer halten Leib und Seele zusammen. Ein abwechslungsreiches Programm, mit wie viel Mühe auch immer zusammengestellt, ist nur die halbe Miete!

Und doch mache ich es immer wieder gerne. Wenn das Jahrestreffen läuft und wie ein flotter Marsch rollt und es im Höchstfall hinter den Kulissen rumpelt, ist es jedes Jahr ein Genuss und alle Mühen wert!

Mein kleiner Kater Adrian

Katze im Pullover

Kater im Schlafrock

Adrian ist mein Lieblinngskater und der einzige Kater von unseren ursprünglich drei Katern diesseits der Haaresbreite. Er war noch keine 30 Minuten alt, da miaute er schon so laut wie eine drei Monate alte Katze. Er ist vor 13 Jahren auf meinem Schreibtisch geboren. Deshalb weiß ich das so genau.

Ausgerechnet dieser Kater hatte eine sich schnell entwickelnde Beule, die sich als gutartiger Tumor entpuppte, der nicht streut, aber leider immer wieder nachwächst und das rasant.

Unser kleiner Kater bekam Stubenarrest, wurde operiert und hatte wieder Stubenarrest. Das gefiel ihm ganz und gar nicht. Wenn wir schlafen wollten, konnten wir seinen Unmut gut hören. Erst am letzten Abend ging er mit uns ins Bett und blieb ruhig liegen, bis wir wieder aufstanden.

Der Schlafrock störte ihn sehr, denn er konnte sich nicht putzen. Er war so erleichtert, als es wieder ging, dass er nach dem Fädenziehen bei der Tierärztin im Katzentragekorb sitzen blieb und ihn erst verließ, nachdem er sich ausgiebig geputzt hatte.

Ja, der Kater hat das Ganze gut überstanden, aber das ging nur durch unsere vertrauensvolle Beziehung. Die hat sehr gelitten. Der Kater ist nicht mehr ganz so anhänglich und kuschelig wie vorher.

Alle unsere Katzen sind 13 Jahre alt und leben auf Abruf bei uns. Aber bei dem Kater kanns schneller gehen als bei den Katzen.

Wie oft kann ich zur Tierärztin gehen und den nachgewachsenen Tumor entfernen lassen, ohne dass der Kater zu sehr leidet? Wie viele Behandlungen verträgt unsere Beziehung? Wann werde ich ihn gehen lassen müssen?

Ich freue mich auf

  1. Ein Treffen unserer Lesegruppe in der wir über das Buch: „Wenn wir wieder wahrnehmen“ von Heike Pourian sprechen
  2. Meinen 63. Geburtstag
  3. Märchen im Turm: „Gold – Segen oder Fluch?“
    Ich kenne so viele Märchen, in denen Gold ein Fluch ist oder mit viel Glück, eher neutral ist. Nun suche ich Märchen, in denen Gold ein Segen ist. Ich bin gespannt, was ich finde.