Rapunzel singt, aber welche Lieder?

Ausblick aus dem Turmfenster ins Grüne

Hast du dich auch schon mal gefragt, was Rapunzel gesungen hat, als sie in dem Turm der Fee eingeschlossen war?

Ich denke es mir so:

Ganz am Anfang ihrer Zeit im Turm könnte Rapunzel Lieder gesungen haben, die ihr Heimweh nach dem Leben mit anderen Menschen ausgedrückt haben. Vielleicht hat sie auch die Stimmen der Vögel, der Tiere des Waldes und das Rauschen des Windes in den Bäumen mit ihrer Stimme nachgeahmt?

Dann trat der Königssohn in ihr Leben. Vielleicht sang Rapunzel nun Liebeslieder oder Lieder, die die Sehnsucht nach ihrem Geliebten in Worte fassten.

In der Einöde, in der sie allein mit ihren Kindern lebte, wird sie Lieder für ihre Kinder gesungen haben. Wer weiß, vielleicht hat sie ihren Kindern gerade ein Lied zum Einschlafen vorgesungen, als der Prinz ihre Stimme hörte?

Was denkst du, welche Lieder Rapunzel gesungen hat? Ich freue mich über deinen Kommentar.

Arbeitsschuhe

Arbeitsschuhe Gleisarbeiter, Gesundheitsberuflerin, Filzschuhe

Wenn wir zur Arbeit gehen, tragen wir meistens bestimmte Schuhe, ob Gleisarbeiter bei der Bahn, medizinische Fachangestellte oder Märchenerzählerin. Wir alle tragen Arbeits­schuhe.

Was für Schuhe trägst du bei der Arbeit?

Schreib es mir in den Kommentar! Oder poste ein Foto.

Vielleicht kennst du auch ein Märchen, in dem Schuhe eine große Rolle spielen? Ein kleiner Tipp: „Ruckedigu, ruckedigu, Blut ist im Schuh…“

Hast du das Märchen erraten? Oder kennst du ein anderes Märchen, in dem Schuhe wichtig sind?

Es war einmal… ein märchenhafter Anfang

Apfelblüte

Ich liebe die Märchenanfänge von Jan Vladislaw, weil sie so poetisch sind. Bei diesen Märchen lohnt es sich allein wegen ihres schönen Anfangs, sie zu erzählen.

Eines dieser Märchen ist „Das Mädchen aus dem Apfelbaum“.

Es beginnt mit den Sätzen: „Auch die Apfelblüte hat ihr Geheimnis. Wenn ihr sie im Frühling seht, dann erinnert euch, dass es einmal einen jungen König gab, der nichts lieber tat, als in seinen Wäldern zu jagen.“

Seitdem kann ich an keinem blühenden Apfelbaum mehr vorbei gehen, ohne an das Märchen zu denken. Hier kannst du es nachlesen.

Der heiße Stuhl

Holzstuhl im Spotlight

Da saß ich nun in meiner Ausbildung zur Märchenerzählerin und brannte darauf, öffentlich aufzutreten. Das hatte ich mir ganz einfach vorgestellt. Schließlich bin ich nicht auf den Mund gefallen und habe immer gerne Referate gehalten.

Dann kam der Moment, als ich zum ersten Mal auf dem Stuhl der Erzählerin saß und ein Märchen vor den anderen Frauen im Kurs und den Ausbilderinnen des Märchenzentrums DornRosen vortragen sollte. War das aufregend! Ich redete wie ein Wasserfall, um möglichst schnell fertig zu sein. Außerdem ging mir ständig die Luft aus und das obwohl ich Flöte und Jagdhorn gespielt hatte!

So schwer hatte ich mir das Erzählen vor Publikum nicht vorgestellt. Das wollte ich ganz schnell ändern.

Vor anderen Erzähler*innen zu erzählen ist sehr schwer, denn sie durchschauen jeden Trick, kennen meistens den Märchentext und hören jeden Fehler bei der Betonung. Ganz schlimm wird es, wenn dir die Luft ausgeht und du an der falschen Stelle atmest. Deswegen hieß der Stuhl der Erzählerin bzw. des Erzählers im Märchenzentrum DornRosen auch „der heiße Stuhl“.

Das Feedback war übrigens sehr sanft und liebevoll. Es begann immer mit: „Das war gut“ und endete mit: „Das hätte ich mir anders gewünscht.“ Dann kamen die Beobachtungen der anderen, nicht nur die der Ausbilderinnen.

Meine Ausbildung zur Märchenerzählerin bestand aus 7 Wochenenden und 3 Wochen. Jeder Tag begann mit einem Morgenkreis, der von den Teilnehmenden selbst gestaltet wurde. Der Morgenkreis bestand für gewöhnlich aus einem Gedicht, einem, Lied, einem Tanz und natürlich einem Märchen. Letzteres war die Gelegenheit, das Erzählen zu üben. Diese Gelegenheit nützte ich, so oft es ging, um das Erzählen vor Publikum zu üben und dadurch die Angst zu überwinden.

Mit dem Abschluss der Ausbildung hatte ich auch meine Angst vor dem Auftreten überwunden, Lampenfieber habe ich trotzdem. „Lampenfieber ist Respekt vor dem Publikum“, sagt Reinhard Mey.

Meistens kann ich damit gut umgehen, aber es gibt immer noch aufregende Situationen. Dann hilft es mir, mich zu erden und die wunderbaren Übungen von Dr. med. Claudia Croos-Müller zu machen. Durch diese Körperübungen kann ich meinen so Geist beeinflussen, dass aus der Leuchtstoffröhrengrippe wieder harmloses Lampenfieber wird.

Wenn ich durch das Lampenfieber so richtig wach und aufmerksam bin, geschieht etwas Wunderbares: Ich erlebe, dass das Erzählen eine Kunst ist, die erst durch den Dialog mit dem Publikum entsteht. Manchmal ist es richtig magisch und das Märchen fließt fast mühelos über meine Lippen, weil das Publikum so aufmerksam zuhört.

Rapunzel 1812

Ich erzähle die Version des Märchens aus der 1. Auflage der Kinder- und Hausmärchen. Du kannst sie hier nachlesen. Sie unterscheidet sich in ein paar wesentlichen Punkten von der bekannteren Version des Märchens aus der 7. Auflage, die 1857 erschien und die letzte Auflage der Kinder- und Hausmärchen war, die noch von den Brüdern Grimm selbst überwacht und redigiert wurde.

In der Version aus dem Jahr 1857 schließt eine Zauberin Rapunzel in ihrem Turm ein. Rapunzel verrät sich durch den Satz: „Sag mir doch, Frau Gothel (hessisch für Patin), wie kommt es nur, es wird mir viel schwerer dich heraufzuziehen als den jungen Königssohn, der ist in einem Augenblick bei mir.“ Dadurch erkennt die Zauberin, dass sie betrogen wurde, verstößt Rapunzel und diese muss in einer Wüstenei leben.

In der Version aus dem Jahr 1812 schließt eine Fee Rapunzel in ihren Turm ein. Rapunzel fragt die Fee arglos und unbedarft: „Sag mir doch, Frau Gothel, meine Kleiderchen werden mir so eng und wollen nicht mehr passen.”

Diese Variante gefällt mir viel besser, weil sie glaubwürdiger ist. Laut Wikipedia entfernte Wilhelm Grimm aufgrund von Leserprotesten diesen Hinweis auf Rapunzels Schwangerschaft. Schließlich handelte sich bei diesen Märchen um Geschichten für Kinder, die sittlich gebildet werden sollten. Da passte eine unverheiratete, schwangere Märchenheldin nicht ins Bild.

Noch ein Bilderrätsel

Vor 6 Jahren haben wir Märchenerzählerinnen des Nürnberger Märchenzirkels die Märchenerzählerin Iris Wehlte in ihrem Turm in Dinkelsbühl besucht.

Auf dem Weg zu ihr sahen wir zu unserer großen Überraschung, diesen Zopf aus einem Turmfenster hängen und fragten uns: „Wer lässt hier seine Haare aus dem Fenster hängen?“

Hast du’s schon erraten?

Wenn du verstummst, werde ich sprechen

Feuer

Das ist der Titel des Jugendromans von Othmar Franz Lang, der 1975 im Benziger Verlag erschienen ist. In diesem Buch geht es um junge Menschen, die sich für Amnesty International engagieren.

Der Titel des Buches berührt mich sehr. Wenn anderen die Luft ausgeht, mache ich meinen Mund auf und spreche über und für diejenigen, die verstummen.

Diese Gedanken kommen mir oft in den Sinn, wenn ich Märchen für meine Märchenstunden auswähle. Ich erzähle gerne die Märchen und Geschichten von Völkern, die in Europa nicht so bekannt sind, um sie ins Bewusstsein des Publikums zu bringen.

Es gibt viele unbekannte Völker auf dieser Welt, die die Zivilisation einholt oder auch schon längst eingeholt hat. Manchmal können sie ihre Kultur bewahren, oft aber auch nicht. Sie sind die ersten, die die Klimaveränderung zu spüren bekommen.

Wetterregeln, die seit Jahrhunderten galten, sind außer Kraft gesetzt. Viele Menschen wissen, dass der Lebensraum für die frei lebenden Verwandten der Eisbären Knut und Flocke immer kleiner wird, aber was wissen wir über die Menschen, die dort leben? Wie hat sich ihr Leben verändert? Haben sie diese Veränderungen gewollt oder wurden sie von ihnen überrollt?

Zu diesen Völkern gehören auch die Ewenken, die in einer Region leben, in der es große Erdgasfelder gibt und die ihr Land nicht schützen können.

Es ist nicht gleichgültig, ob und wie diese Völker ihre Kultur bewahren können, denn jede menschliche Erfahrung, die sich in den Märchen spiegelt, ist kostbar und wichtig für uns alle. Die Ewenken erzählen wunderbare Märchen. Eines handelt von einem Waisenknaben, der von einem Reichen ausgebeutet wird. Der Mond kommt ihm zu Hilfe, nimmt ihn zu sich und bestraft den Reichen. Das ganze Märchen kannst du hier nachlesen.

Fränkischer Rechen

Am Straßenrand habe ich diese Tulpen gesehen. Sie haben mich sogleich an den Fränkischen Rechen erinnert.

Aber was ist der Fränkische Rechen? Ein Gartengerät, das in Franken hergestellt wurde? Nein, es ist das Symbol Frankens und steht unter anderem für die drei Landesteile Ober-, Mittel- und Unterfranken. Die Tulpen haben mich in ihrer Form und Farbe daran erinnert.

Fränkischer Rechen

Mit Bewusstsein habe ich diese Fahne das erste Mal nicht in Franken, sondern in der Mongolei gesehen, nämlich im Restaurant des Jurtenhotels Altan Buga (Goldener Hirsch) in Ulan Bator.

Deutschlandfahne und Fränkischer Rechen

Der Weg von Franken in die Mongolei kann so kurz sein…

Die Wunderblume und andere Märchen

Titelbild des Märchenbuchs "Die Wunderblume"

Dieses Märchenbuch ist 1956 im Verlag Kultur und Fortschritt erschienen. Es enthält viele, schöne Märchen aus Russland, den baltischen Staaten, aus Nord- und Zentralasien, also aus vielen Staaten der ehemaligen Sowjetunion (UdSSR).

Unter anderem auch das Märchen mit dem etwas irreführenden Titel „Wem soll der Mantel gehören?“

In diesem Märchen der Abchasen wird ein Mädchen von einem Drachen entführt und von ihren drei Brüdern befreit. Die Mutter hat inzwischen einen Mantel genäht und will ihn dem Sohn geben, der am meisten zur Rettung der Schwester beigetragen hat.

Zum Schluss stellt sich heraus, dass jeder ihrer Söhne einen entscheidenden Beitrag zur Rettung ihrer Schwester geleistet hat. Deshalb entschließt sich die Mutter noch zwei weitere Mäntel zu nähen.

Du denkst vielleicht: „Habe ich das nicht so, oder so ähnlich schon einmal gehört oder gelesen?“

In dem Märchen „Die vier kunstreichen Brüder“ der Brüder Grimm sind es sogar vier Brüder, die ausziehen, um die Königstochter zu retten, die von einem Drachen entführt wurde. Wer sie rettet, der bekommt sie zur Frau, so hat es der König versprochen. Auch hier leistet jeder der Brüder einen entscheidenden Beitrag für die Rettung der Prinzessin. Der König schlichtet den Streit der Brüder in dem er ihnen die Prinzessin nicht zur Frau gibt, sondern jedem ein halbes Königreich. Die Brüder sind mit dieser Entscheidung einverstanden.

Das Märchen endet mit den Sätzen: „Den Brüdern gefiel diese Entscheidung und sie sprachen ‚es ist besser so, als dass wir uneins werden.‘ Da erhielt jeder ein halbes Königreich, und sie lebten mit ihrem Vater in aller Glückseligkeit, solange es Gott gefiel.“

Die Geschichte vom weinenden Kamel

sitzende Kamele

In der Mongolei erzählt man sich nicht nur das Märchen vom Kamel, sondern noch viele andere Märchen und Geschichten, denn für die Nomad*innen, die in der Wüste Gobi leben, sind ihre Tiere, also auch die Kamele, ihr Kapital.

In der Mongolei werden vor allem die Gutmütigkeit und die Sanftmut sowie die Hingabe der Kamelstuten gegenüber ihren Fohlen gelobt. Viele Menschen, nicht nur Mongolei-Fans wie ich, kennen inzwischen den Dokumentarfilm „Die Geschichte vom weinenden Kamel“ der aus der Mongolei stammenden Regisseurin Byambasuren Davaa, die die Geschichte eines weißen Kamelfohlens erzählt, das von seiner Mutter verstoßen wurde. Zwei Jungen aus der Nomadenfamilie, der das Kamel gehört, machen sich auf den Weg zur nächst gelegenen Schule, wo ein Lehrer unterrichtet, der die Pferdekopfgeige spielt, denn für das Hoos-Ritual wird ein Musiker gebraucht.

Schule in der Wüste Gobi
Der Eingang zur Schule in der Wüste Gobi, in der der Lehrer unterrichtete

In diesem „Überredungsritual“ spielt der erste Musiker die Pferdekopfgeige und der zweite singt Hoos, Hoos, Hoos, so lange, bis die Musik das verhärtete Herz der Kamelstute berührt, so dass sie weint und nun bereit ist, ihr Fohlen anzunehmen und zu säugen. In diesem Fall dauerte es einen ganzen Tag. Dieses Ritual wurde (zumindest 2003, als der Film gedreht wurde) immer noch praktiziert und gehörte zum Alltag der Nomaden.

Nasanjargal Ganbold spielt die Pferdekopfgeige