Auf das Frauentreffen der Turner-Syndrom-Vereinigung freue ich mich jedes Jahr, ungebrochen seit über 30 Jahren. Für mich als laufender Einundeinhalber Meter ist es etwas ganz Besonderes den meisten Frauen buchstäblich auf Augenhöhe begegnen zu können. Manche Frauen sind sogar kleiner als ich. Viele der jüngeren Frauen sind größer als ich.

Was machen wohl die Branchenriesen unter den Erzählenden? Sie treffen sich beim Erzählwettbewerb „Der Wortschmied von Lauf“! Es ist so interessant zu erleben, was und wie sie erzählen.

Meine spezielle Herausforderung war das Erzählen beim 2. Märchenfest des Handwerksmuseum in der Kühnertsgasse in Nürnberg.

Die Märchenstunden

2. Märchenfest im Handwerksmuseum in der Kühnertsgasse 22|20|18 in Nürnberg am 12. und 13. Oktober, jeweils von 11 – 17 Uhr

Der Termin des Märchenfestes ist für mich sehr ungünstig, weil es das Wochenende nach dem Frauentreffen ist. Das Frauenwochenende ist seit drei Jahrzehnten ein fest stehender Termin in meinem Kalender. Ich habe bisher nur zwei Treffen versäumt.

Ein paar Jahre lang habe ich gerne die Gelegenheit genutzt, um im Anschluss nach dem Treffen mit einer Freundin aus dem Verein, die in Osnabrück lebt, Urlaub in Deutschland zu machen.

Dieses Jahr habe ich stattdessen am Sonntag beim Märchenfest erzählt. In Nürnberg fanden an diesem Sonntag noch folgende Veranstaltungen statt: „Tag der offenen Tür“, verkaufsoffener Sonntag und ein Folkfestival. Für Abwechslung und Unterhaltung in Nürnberg war also gesorgt. Dieses Mal war das Märchenfest nur im Veranstaltungskalender der Nürnberger Nachrichten zu finden, denn es wurde keine Pressemitteilung veröffentlicht.

Da war es kein Wunder, dass ich am Sonntag um 11 Uhr und um 12 Uhr keine Gäste hatte. Erst um 13 Uhr kamen fünf Personen, um sich von mir Märchen von gekrönten Häuptern erzählen zu lassen. Sie nahmen sich allerdings nur 12 Minuten Zeit für zwei kurze Märchen. Danach kamen noch einmal drei Personen bis etwa 13:30 Uhr.

Am Nachmittag erzählte ich in der Bohlenstube zweimal „Märchen vom Handwerk“ vor ähnlich kleinem Publikum.

Das Märchenfest im Handwerksmuseum ist aufgrund der mittelalterlichen Atmosphäre wirklich schön. Die ehrenamtlichen Helferinnen, allesamt in Gewandung, sind sehr freundlich und hilfsbereit.

Auch dieses Mal habe ich vom süßen Brei gegessen. Brei kann unglaublich lecker sein, wenn er gut gemacht ist: Hirse in Wasser gekocht mit Birnenkraut, Honig, Äpfeln, Nüssen und Sahne ist ein Genuss!

Und doch hat mir dieses Erlebnis noch einmal vor Augen geführt, dass ich für meine Arbeit einen Energieausgleich brauche, der über Essen und Trinken hinausgeht. Wir Erzählerinnen bekommen nämlich kein Honorar. Eine andere Form des Energieausgleichs wären Werbung und Berichterstattung in der Zeitung oder ein Folgeauftrag durch Zuhörende.

Mein Motto für das Jahr 2025 wird also das Wort „Energieausgleich“ enthalten. Oft wird dieser Begriff in Erzähler*innenkreisen ein wenig verschämt für die Begriffe „Preis“ oder „Honorar“ verwendet. So meine ich das nicht. Mir geht es um einen „Return on Invest“, wie Zeit, Geld und Fachwissen.

Der Erzählwettbewerb „Wortschmied von Lauf“ am 19. Oktober

2022 hatten sich meine Kollegin Heike Appold und ich an dem Wettbewerb beteiligt, aber wir wurden nicht als Erzählerinnen für den Abend ausgewählt. Dieses Mal hatten wir es nicht geschafft, weil uns beide ein Grund mit Pelz und vier Pfoten an der Teilnahme abhielt. Jede von uns musste ein geliebtes Tier gehen lassen und war dadurch emotional nicht in der Lage ein Video für den Wettbewerb aufzunehmen.

Es war wieder sehr interessant als Zuhörerin bei dem Abend dabei zu sein. Wieder trat die Crème de la Crème der Erzählenden an.

Von den fünf Erzählerinnen und den fünf Erzählern des Abends haben nur zwei Erzählende, Frau Wolle und Reiner Müller ein Märchen ganz klassisch erzählt. Die anderen acht Erzählenden wählten andere Wege:

Die Schauspielerin und Erzählerin Ines Honsel verwebte geschickt und gekonnt Biografisches (echt oder gut erfunden, wer weiß?) mit einer Sage vom Wöhrter See in Kärnten.

Ulrike Mommenday erzählte mit Worten und ihrer Ziehharmonika ein irisches Märchen von einem jungen Mann, der sich nacheinander in zwei Frauen verliebt. Er kann beide nicht heiraten, so sagt sein Vater, weil beide seine Schwestern sind. Voller Trauer, weil er auch die zweite Frau nicht heiraten kann, geht er zu seiner Mutter. Und die sagt: „Folge deinem Herzen und heirate, denn dein Vater ist nicht dein Vater!“

Charles Aceval, der algerische Märchenerzähler in Deutschland, erzählte zweisprachig die Geschichte von den Schmetterlingen, die sich in eine brennende Kerze verlieben. Je näher sie ihr kommen, desto mehr verbrennen sie sich die Flügel.

Birgit Fritz fing an, den Froschkönig mit leicht ironischen Unterton zu erzählen. Am Brunnen, beim Frosch, trafen sich die Bremer Stadtmusikanten, unterhielten sich eine Weile mit dem Frosch und die Katze raunte ihm beim Abschied noch zu: „Mit einem Lied ist es nie langweilig.“ Da besann sich der Frosch eine Weile und fing an zu singen und zu jazzen. Er fand noch drei Frösche. Gemeinsam zogen sie hinaus in die Welt, bezauberten viele Menschen mit ihrer Musik und wurden reich und berühmt.

Petra Venske erzählte die Geschichte einer Teetasse, die den Wurm fand und besiegte, der das Leben in ihrer Umgebung zum Stillstand gebracht hatte.

Ivo Hewing gewann den ersten Preis mit seiner Geschichte:
Er hat die Geschichte von Daidalos und Ikaros erzählt, eingebettet in einen biografischen Bezug, Erzählen in der Schule. Darunter ist ein besonderer Junge, der nur seine eigene Sprache spricht und meistens nicht viel zu dem Bild sagt, das er nach dem Erzählen malt. Dieses Mal erzählt er mit wenigen Worten und großen Gesten, was auf dem Bild zu sehen ist. Wer fängt den stürzenden Ikaros auf? Mama! Das ist die feministische Wende der Geschichte, die Ivo auch dem Publikum nicht vorenthält: Nicht vergessen, es gibt nicht nur Papa, sondern auch Mama!

Frau Wolle bekam den 3. Platz mit einem jüdischen Märchen aus dem Stetl:
Jizhak, der Dieb, wird alt und ungeschickt. Seine letzten Jahre will er nicht im Gefängnis verbringen. Moische, der Bäcker, mit dem butterweichen Herz, hilft ihm elegant und liebevoll aus der Patsche. Das dankt ihm der Dieb, als sie beide gestorben sind und im Jenseits die guten gegen die schlechten Taten aufgewogen werden: Jizhak stiehlt Moisches schlechte Taten und so kommt dieser ins Paradies.

Richard Martin erzählte eine Nasreddin-Hodscha-Geschichte, in der Nasreddin seinen Esel auf Englisch anspricht:
Nasreddin zieht mit seinem Esel hinaus in die Welt, um Weisheit zu finden, damit er den Menschen die Wahrheit sagen kann. Er sucht zuerst in Indien und dann in China in allen vier Himmelsrichtungen, aber er findet die Weisheit nicht. Endlich kommt er nach Nepal. Dort stirbt sein Esel, den Nasreddin traurig begräbt. Weinend sitzt er am Grab. Ein vorübergehender Mann glaubt, dass es sich um das Grab eines wundertätigen Heiligen handeln müsse und rennt in die nächste Stadt, um es allen zu erzählen. Die Menschen strömen zum Grab und Wunder geschehen. Priester kommen, ein Tempel wird gebaut. Niemand hört auf diesen Narren, der sagt: „In diesem Grab liegt kein Heiliger, sondern mein Esel!“ Nasreddin lernt am Garb seines toten Esels die Weisheit: „Niemand kann die Menschen, die an eine Lüge glauben wollen, davon überzeugen, dass das nicht die Wahrheit ist.“

John Rogers erzählte ein irisches Märchen, in dem ein König, weil er eine böswillige Fee verschluckt hat, ununterbrochen essen muss, weil die Fee ihm alles wegisst. Zum Schluss kann ihm ein Diener helfen und von der Fee befreien. Er hat das Märchen sehr geschickt eingeleitet, indem er eine Banane gegessen hat und dabei allein durch Mimik den Eindruck erweckt hat: „Huch, wie peinlich! Ich esse noch und das Publikum ist schon da!“

Reiner Müller erzählte ein Märchen von der Kola-Halbinsel so, als hätte er es selbst erlebt.

Märchenzirkel

Monika Weigel hat uns die deutschbaltische Schriftstellerin, Erzieherin und Erzählforscherin Karoline Stahl näher gebracht. Sie wurde am 4.11.1776  auf Gut Ohlenhof im Gouvernement Livland geboren. Sie starb am 1.04.1837 in Dorpat im Gouvernement Livland. Sie veröffentlichte Sagen, Märchen und Erzählungen für Kinder , arbeitete als Erzieherin und lebte unter anderem auch in Nürnberg. Ihr Märchen „Der undankbare Zwerg“ wurde später von Wilhelm Grimm bearbeitet und unter dem Titel „Schneeweißchen und Rosenrot“ (KHM 161) veröffentlichte.

Danach vereinbarten wir die Themen und Terrmine für 2025. Wenn Du selbst Märchen erzählst, bist du uns herzlich willkommen. Diese Termine findest du im Terminkalender.

Märchentisch beim Märchenfest, Plakat "Wortschmied"

Märchentisch beim Märchenfest und das Veranstaltungsplakat vom Wortschmied

von links nach rechts die Erzählerinnen beim Wortschmied

Die Erzählenden beim „Wortschmied von Lauf“ von links nach rechts: Ines Honsel, Ulrike Mommenday, Charles Aceval, Birgit Fritz (2. Preis), Petra Venzke, Ivo Hewing (1. Preis), Frau Wolle (3. Preis) und Michl Zirk (Jury); in der 2. Reihe: Richard Martin, John Rogers und Reiner Müller

Frauentreffen der Turner-Syndrom-Vereinigung im Bildungszentrum Elstal bei Berlin

„Was ist, darf sein. Was sein darf, kann sich wandeln.“

Diesen Workshop habe ich mit Liebe vorbereitet und auf Obsidian verzettelt. Ich war sehr gespannt darauf, wie er angenommen wird. Beim Frauentreffen müssen sich die Teilnehmerinnen nicht schon bei der Anmeldung für einen Workshop entscheiden, sondern die Referentinnen stellen sich und ihr Thema am ersten Abend vor. Dann werden die Gruppen gebildet.

Das ist jedes Mal sehr aufregend für mich. Dieses Mal haben sich acht Frauen für meinen Workshop entschieden.

In diesem Workshop habe ich mit den Frauen ihre Lebensreise zu betrachtet. Die Frauen haben sich ihre Wunschzukunft ausgemalt und ihre Geschichte als Märchen aufgeschrieben.

 

Verschiedene Gegenstände auf rotem Pannésamttuch

Viele, kleine Gegenstände für die Vorstellungsrunde mit Gegenstand

Das Frauentreffen an sich

Ich freue mich jedes Jahr auf das Frauentreffen, auch weil es in der Metropolregion Nürnberg keine Regionalgruppe gibt. Zum Treffen kommen viele Frauen, denen ich nur bei diesen Treffen begegnen kann.

Früher gehörte ich zum „harten Kern“, der die Nacht zum Tag machte und nicht vor 2 Uhr ins Bett fand, heute muss ich als Referentin vernünftig sein und früh, also spätestens um Mitternacht, ins Bett gehen, damit ich am nächsten Tag fit für meinen Workshop bin.

Beim Bunten Abend mit Katrin und Sanny

Elster unter Busch

Begegnungen auf dem Gelände der Bildungsstätte Elstal

Darauf freue ich mich im November:

  1. Auf meinen Workshop „In meinem Reich bin ich die Königin! – Selbstfürsorge und Konfliktlösung auf Augenhöhe“ bei einer Regionalgruppe der Vereinigung
  2. Auf das Treffen des Orgateams, das das Jahrestreffen vorbereitet, das im Mai 2025 in Düsseldorf stattfinden wird.