
Einleitung
So gelassen wie meine kleine Katze Punkt hätte ich das Neue Jahr auch gerne begonnen, aber es sollte ganz anders kommen.
Ich nehme mir jedes Jahr vor: „Ich mache von Weihnachten bis Heilig Dreikönig raunachtsfrei.“ Raunachtsfrei bedeutet für mich Inne- und Rückschau halten auf das vergangene Jahr und nach vorne schauen und Pläne schmieden für das kommende Jahr.
2023 und 2024 hat das nicht gut funktioniert, denn in der dritten Januarwoche werden die Einladungen zum Jahrestreffen der Turner-Syndrom-Vereinigung verschickt. Ich bin für das Programm am Samstag und die ReferentInnen zuständig. Dafür brauche ich die Namen aller medizinischen ReferentInnen, damit ich die Dateien für die Einladung fristgerecht an die Geschäftsstelle schicken kann, die die Einladung für alle Teilnehmenden, per Post oder E-Mail versendet.
Von der ersten bis in die dritte Januarwoche war ich 2023 und 2024 mit der Einladung zum Jahrestreffen beschäftigt, hatte mein freiwilliges Engagement für den Verein die oberste Proirität.
Alle anderen Dinge hatte ich unter „ferner liefen“ abgespeichert:
- meine Jahresplanung
- den Jahresrückblick schreiben
- gute Vorbereitung auf meine Märchenstunden
- Werbung für meinen Märchenabend im Turm „Mann oder Frau?“
- Für ordentliche Fotos von mir bei meinen Märchenstunden sorgen
So soll es nicht weitergehen. Mein Märchenladen und alles, was ich dafür brauche (inklusive freie Zeit) soll in meinem Leben die oberste Priorität haben.
Meine Märchenstunden
Dieses Jahr war ich zweimal bei den „Märchen am Ofenfeuer“ bei Reingard Fuchs dabei. Sie hat den Januar dieses Jahr hat dem Themenkreis zwischen Selbsterkenntnis und individueller Freiheit zu solidarischer Gemeinschaft gewidmet.
Die Erzählsituation am Ofenfeuer in Reingards guter Stube ist angenehm und familiär, kein Grund zur Aufregung!
1. Märchen am Ofenfeuer 1 „Selbsterkenntnis: Wer bin ich?“
Bei dem Thema ging es nicht um mich als Erzählerin, sondern um die Heldinnen oder Helden der Märchen, die ich erzählen wollte.
Ich habe zwei meiner Lieblingsmärchen erzählt: „Der Hirsch mit dem zwölfzackigen Geweih“, ein Märchen der Jakuten und „Gebogener Pfeil“, ein Märchen aus dem Buch „Sternenmädchen – Indianerinnengeschichten“, leider ohne Ursprungs-Angabe! Ich habe mir wegen der Ortsangabe (im Gebiet der Großen Seen) überlegt, dass es ein Märchen der Anishinaabeg sein könnte.
Beide Märchen handeln von Mädchen, die tapfer und unerschrocken handeln. Das jakutische Mädchen findet das Glück und bringt es zu den Menschen zurück indem sie gegen die Trugbilder des schwarzen Hirsches ankämpft, der das Glück der Menschen geraubt hat und es in seinem Berg gefangen hält.
Das Mädchen der First Nation flieht, weil sie den alten Häuptling Ohne Herz heiraten soll, um die Krankheitsgeister in ihrem Dorf zu vertreiben. Auf ihrer Flucht über den Niagara-Fluss wird sie in die Höhle des Wassergeistes Wolken-und-Regen gezogen. Mit seiner Hilfe lernt sie, wie sie die Krankheit in ihrem Dorf heilen kann und erfährt, dass die Krankheit von einer Schlange kommt, die das Trinkwasser vergiftet. Nach dem Tod des Häuptlings kehrt sie nach Hause zurück. Sie kann die Kranken heilen und die Menschen in ihrem Dorf nach ein paar Monaten davon überzeugen, dorthin zu ziehen, wo das Wasser sauber ist.
Märchen am Ofenfeuer 2: „Individuum: Wir sind verschieden“
An diesem Abend habe ich „Verbranntes Gesicht“, ein Märchen der Algonkin und „Tanze, mein Hündlein, tanze“ aus Usbekistan erzählt.
In dem usbekischen Märchen wir der Vater von drei Töchtern schwer krank. Das einzige Heilmittel ist ein Tee, gekocht aus den Zweigen des Almurutbaumes, der in der Nähe der Stadt Sim-Sim wächst.
Die zwei älteren Töchter machen sich vergeblich auf den Weg nach der Stadt Sim-Sim, um die Almrut-Zweige zu erlangen. Sie fürchten sich vor den wilden Tieren der Wüste und kehren wieder um. Die jüngste Tochter reitet, begleitet von ihrem kleinen Hund, in Männerkleidung und mit dem Schwert ihres Vaters nach Sim-Sim und tötet die Tiere, die sie bedrohen. Die jungen Burschen der Stadt nehmen den fremden Jüngling gastfreundlich auf, aber sie zweifeln daran, dass der Fremde ein Mann ist. Dreimal stellen sie das Mädchen auf die Probe. Aber dank des Hundes besteht sie die Proben, erringt die Almurut-Zweige und reitet, ein Triumphlied singend, nach Hause zurück. Dort kocht sie einen Tee aus den Zweigen des Almurut-Baumes und der Vater wird wieder gesund.
Das Märchen „Verbranntes Gesicht“ hat in manchen Sammlungen auch den Untertitel „Das indianische Aschenbrödel“, denn in diesem Märchen wird die Jüngste von drei Schwestern, deren Mutter gestorben ist, misshandelt.
Die Schwestern stoßen sie sogar ins Feuer, so dass sie sich die Haare versengt und das Gesicht verbrennt.
Die Jüngste wehrt sich nicht gegen diese Behandlung bis zu dem Zeitpunkt, an dem die beiden älteren Schwestern vergeblich versucht haben, den Unsichtbaren zum Mann zu bekommen. Nur das Mädchen, das sehen kann, woraus seine Bogensehne und das Schulterband seines Jagdbeutels gemacht sind, kann seine Frau werden.
Bei der Rückkehr vom Wigwam des Unsichtbaren lassen sie ihre Wut an Verbranntem Gesicht aus. Diese flieht in den Wald, badet im See und behält nur ihre Muschelkette. Dann macht sie sich einen Mantel aus Birkenrinde und geht zum Wigwam des Unsichtbaren, um auf ihn zu warten. Sie kann ihn sehen und die richtigen Zeichen nennen. Die Schwester nimmt sie mit in den Wigwam, wo ihre Narben im weichen, warmen Wasser heilen. Als der Unsichtbare nach Hause kommt, sagt er: „Da bist du. Nun hat unsere Einsamkeit ein Ende.“
2. Märchen und Sagen zum Gespräch – online
Ich habe das Märchen „Der Zauberbrunnen“, ein Märchen aus Afghanistan erzählt, indem es um „Queer-Sein“ geht.
Es soll ja Menschen geben, die immer noch glauben, dass „Queer-Sein“ eine Erfindung der Moderne oder ein Zeichen von Dekadenz ist. Weit gefehlt! Queere Menschen gibt es schon lange, wenn auch nicht unter diesem Begriff. In dem afghanischen Märchen „Der Zauberbrunnen“ gerät ein jemenitischer Prinz auf der Jagd in einen Zauberwald, wirft einen Stein in eine Grube und wird in ein blühendes Mädchen verwandelt. Ein anderer Prinz packt die Schöne und entführt sie in sein Haus. Im 13. Jahr beschwert sich die Schöne, weil sie seit vielen Jahren ihre Eltern nicht gesehen hat. Sie machen sich auf den Weg, diese zu besuchen. Im Wald werfen beide je einen Stein in die Grube, werden verwandelt und reiten in den Jemen. Im 13. Jahr bringt der Prinz seine Frau an den Ort, wo er wieder in einen Mann zurückverwandelt werden kann. Dann reiten sie fort, jeder in seine Richtung und jeder wird auf seine Weise glücklich. Der Erzähler Jörg-Uwe Wulf fügt in seinem Video hinzu: „Eigentlich ist alles möglich und darf auch sein, wenn die, die daran beteiligt sind, sich frei entscheiden können.“
Auch für den Spruch am Schluss, den ich meistens weggelassen habe, hat er eine gute Lösung gefunden:
Enteile Habgier, fort mit dir Neid, Hass und Eifersucht und gebe Raum für Frieden, Freiheit und Glück.
3. Märchen im Turm „Mann oder Frau?“ mit mir als Herrin des Abends
An diesem Abend haben wir Märchen erzählt, in denen oft nicht klar war, ob es sich bei dem Helden bzw der Heldin um einen Mann oder um eine Frau handelte. Manchmal haben sie sich verkleidet, manchmal wurden sie auch verwandelt.
Mein Ziel für den Abend war, meine Behauptung: „Queere Menschen gab es immer und überall“ mit Märchen zu untermauern.
Ich habe natürlich die Märchen „Der Zauberbrunnen“ und „Tanze, mein Hündlein, tanze!“ erzählt. Dazu kamen noch „Die Geschichte einer Frau, die erst zum Mann und dann König wurde“, ein malaiisches Märchen und das Märchen „Vom Ungläubigen, der in einen Brunnen fuhr“ aus Israel.
„Die Geschichte einer Frau, die erst zum Mann und dann König wurde“
Um der Not zu entgehen, verkleidet sich ein armes Mädchen als Mann und verdingt sich beim König als Soldat. Die Königstochter verliebt sich in ihn und heiratet ihn, beklagt sich aber nach einigen Monaten bei ihrem Vater, dass sie sich noch nicht wie richtige Eheleute lieb gehabt hätten. Um ihn loszuwerden, schickt der König seinen Schwiegersohn mit ein paar Soldaten in die Stadt der Menschenfresser, um eine Flasche vom Wasser des Lebens zu holen. Er wird dort aufgrund seiner königlichen Kleider freundlich aufgenommen und mit dem Lebenswasser beschenkt. Auf dem Rückweg stellen sie fest, dass sie zu wenig Proviant haben, dringen in das Haus einer Witwe ein und essen deren Reistopf leer. Auf dem Rückweg kommen sie am Garten der Witwe vorbei und diese verflucht sie, weil sie ihren Reis aufgegessen haben: „Wenn es Weiber sind, so sollen sie Männer werden und wenn es Männer sind, so sollen sie Weiber werden!“ So geschieht es auch. Nun ist die Königstochter glücklich, einen wirklichen Mann geheiratet zu haben. Nach dem Tod des Königs wird nun die in einen Mann verwandelte Tochter der Witwe König.
„Vom Ungläubigen, der in einen Brunnen fuhr“
Ein Frommer und ein Ungläubiger streiten sich, ob Gott die Welt durch ein Kamelohr ziehen kann. Der Ungläubige hält es für unmöglich und wird eines Besseren belehrt. Bei der Fußwaschung im Bassin vor der Moschee fällt er hinein und findet sich in einen Brunnen, in eine Frau verwandelt wieder. Ein Mann zieht ihn heraus und er lebt sieben Jahre als Frau, fällt beim Wasserholen in einen Brunnen und kommt als Mann wieder im Bassin der Moschee heraus und es ist erst eine Stunde vergangen. Er sucht zusammen mit dem Frommen das Haus auf, in dem er als Ehefrau gelbet hat. Der Mannr erzählt dem Frommen, dass er seine zweite Frau aus einem Brunnen gezogen habe und dass sie darin wieder verschwunden sei. Nun ist auch aus dem Ungläubigen ein Gläubiger geworden.

Im blauen Deel, dem mongolischen Mantelkleid
Das Märchenfestival „Zauberwort“ vom 2. – 6. Januar
Dieses Festival bietet gute Gelegenheiten für mich:
- Angesagte Erzählerinnen und Erzähler zu sehen und zu hören
- Kontakt zu den Erzähler*innen des Festivals
- Interessante Erzählstile
- Auffrischung von Kontakten
- Austausch innerhalb der MÄRCHENERZÄHLEREI über das Festival und die Erzählenden
Besonders fasziniert hat mich dieses Jahr die Erzählerin und Schauspielerin Soogi Kang. Sie ist ein Erlebnis. Wenn sie erzählt, läuft ein Film in meinem Kopf ab.

Soogi Kang, koreanische Erzählerin und Schauspielerin aus Berlin
Einladung für das Jahrestreffen der Turner-Syndrom-Vereinigung Deutschland e.V.
Dieses Jahr war es das reine Drama, bis mir Nicole endlich alle erforderlichen Informationen für das Programm geliefert hatte. Ich habe ihr und der 2. Vorsitzenden drei Tage vor dem vereinbarten Rückmeldetermin eine E-Mail geschrieben, die in Kopie an meine Unterstützerin Sanny und die 1. Vorsitzende ging indem ich meiner Zuversicht Ausdruck verliehen habe, dass sie mir zum vereinbarten Termin die Namen von vier medizinischen Referentinnen und Referenten sowie die Titel ihrer Vorträge zusenden würden, damit ich die Einladung termingerecht an die Geschäftsstelle weiterleiten könnte.
Das Gegenteil war der Fall. Nicole hatte erst zwei Zusagen bekommen. Innerhalb einer Woche (Verlängerung war möglich) hatte sie die Zusagen von zwei weiteren Referentinnen bekommen.
Eine Ursache könnte sein, dass auch Nicole ein Problem mit der Orientierung im Zeitraum hat. Dann ist es zielführender übers Jahr im Abstand von drei Monaten Rückmeldetermine mit ihr zu vereinbaren, um den Zeitraum für sie zu strukturieren und ihr das Verstreichen der Zeit bewusst zu machen.
Auch der Yogalehrerin war nicht bewusst, dass wir für unsere Einladung Informationen von ihr brauchen. Ich hatte große Schwierigkeiten, sie zu erreichen, wollte sie aber nicht nerven. Diese Befürchtung war unnötig, denn es störte sie nicht, wie sie sagte.
Der nächsten Referentin werde ich gnadenlos auf die Pelle rücken, um die Informationen zu bekommen, die ich brauche.
Darauf freue ich mich im Februar:
- Auf den Märchenabend im Turm „Erzählende im Märchen“
Bei diesem Abend ist Reingard Fuchs die Herrin des Abends. Ich werde bei diesem Abend zum ersten Mal seit langem ein langes Märchen erzählen.
Mehr Infos zu diesem Abend findest du in meinem Terminḱalender. - Ich freue mich auf den Besuch der Yoko-Ono-Ausstellung in Düsseldorf. Judith Peters hatte in ihrem Jahresrückblick darüber berichtet und ich habe mich sehr gefreut, als ich festgestellt habe, dass sie 2025 noch läuft und ich auf meinem Weg nach Bonn zum Regionalgruppenleitertreffen diesen Schnörpsel nach Düsseldorf machen kann, um mir die Ausstellung noch anzusehen.
- Treffen der Regionalgruppenleiterinnen im Haus Venusberg in Bonn
- Teilnahme am Treffen der Sonntagsgruppe, einer RG der Turner-Syndrom-Vereinigung Deutschland
- Besuch der immersiven Ausstellung „Monets Garten“ in Köln
- Abendessen mit Meike Hohenwarter und Götz Uwe Kress aus dem Breakfeast Club in Köln
Wunderbar, dass es Dich und Deine Arbeit gibt. Märchenerzählen versus digitaler Overload. Mach weiter so!
Liebe Bettina, danke, dass du Frauenmärchen lebendig erhältst und weitergibst! Als ich jünger war, habe ich eine Zeitlang auch solche…
Das gefällt mir; ein sehr fundierter Artikel, er erklärt gut wozu (d)ein Märchentisch gut ist und was die Gegenstände bedeuten.…
Super Schön geschrieben Danke zorica Märchenerzählerin
Märchentisch kannte ich noch gar nicht. Die Idee ist so simpel und wunderschön. Pannesamt kostet ja nicht die Welt und…
Hab gerade deinen Artikel gelesen. Ich kenne dich ja auch schon ziemlich lange. Hab gerade ein wenig Pipi in den…
Laut Wikipedia ist der Gruß "Mahlzeit!" die seit dem 19. Jhd. gebräuchliche Abkürzung von "Gesegnete Mahlzeit!". "Mahlzeit!" findet sich schon…