Ich liebe dieses Märchen, weil es so viele Themen enthält und ein ganzes Leben anhand von einigen markanten Kleidungsstücken in Worte fasst. Diese Kleidungsstücke symbolisieren jeweils einen Abschnitt im Leben des Schneiders Josef und deshalb will er sich nicht von ihnen trennen.
Vielleicht will sich Josef auch nicht von dem Lebensabschnitt trennen, der so schön war. Mit jedem Kleidungsstück, das er näht, beginnt auch ein neuer Lebensabschnitt. Was wird er bringen? Ist er genauso schön und erfüllend, wie der vorangegangene?
Da ist der junge Mann, der sich ein besonderes Kleidungsstück, nämlich einen Mantel schneidern will. Er muss jahrelang seinen Lohn sparen, um sich den Stoff leisten zu können. Dann wird sein Traum wahr und er schneidert sich einen so schönen Mantel, dass sein Vater ganz stolz auf ihn ist und der Mantel ihm sogar seine Frau Anna ins Haus bringt.
Kein Wunder, dass er den Mantel jahrelang trägt und traurig ist, als er erkennen muss, dass er nun ganz abgetrragen ist.
Glücklicherweise erkennt Anna, dass gerade genug Stoff übrig ist, um aus dem Mantel eine Jacke zu schneidern.
Diese Jacke symbolisiert die Kindheit seiner Töchter und wieder ist er ganz traurig, als nun auch die Jacke ganz abgetragen ist.
Glücklicherweise erkennt Anna, dass gerade genug Stoff übrig ist, um aus der Jacke eine Mütze zu schneidern.
Diese Mütze steht für die Jugendzeit seiner Töchter und als diese vorüber ist, kann er auch die Jacke nicht mehr tragen.
Glücklicherweise erkennt Anna, dass gerade genug Stoff übrig ist, um aus der Mütze eine Fliege zu schneidern. Diese Fliege symbolisiert das Erwachsenwerden der Töchter und die noch jungen Enkelkinder.
Der Stoff wird immer weniger. Am Anfang verhüllt er Josef ganz, zeigt sein Wesen, das sich erst noch entfalten muss. Zum Schluss bleibt nur noch die Fliege übrig, ein kleiner Tupfen. Wer er ist, das zeigt er nun nicht nur durch seine Kleidung.
Und dann verschwindet die Fliege. Nichts mehr ist von diesem so wertvollen Stoff übrig. Und damit sind alle Erinnerungen auch verschwunden, oder etwa nicht?
Wieder ist es Anna, die Josef mit Hilfe der Töchter und Enkelkinder, hilft, zu erkennen, dass Erinnerungen kein materielles Symbol brauchen, um erhalten zu bleiben. Die Geschichte des Stoffes reicht vollkommen aus.
Ich selbst hänge oft sehr an materiellen Dingen, weil sie so viele Erinnerungen gespeichert haben.
Als Märchenerzählerin weiß ich, wie Anna, dass es nicht die Dinge sind, die die Erinnerungen speichern, sondern mein Gedächtnis. Solange ich die Erinnerungen im Gedächtnis behalte, bleiben sie lebendig.
Das Märchen „Gerade genug“ kannst du hier nachlesen.

„Du bist, was du erzählst!“ Das ist meine Philosophie. Dazu gehören die Märchen und Geschichten, die du als Kind gehört und geliebt hast. Das sind auch die Geschichten über dich selbst, die Welt und das Leben. Mit meinen Märchen, Workshops und Blogartikeln will ich Frauen ermutigen, sich selbst zu ermächtigen und einen kritischen Blick auf die Narrative unserer Gesellschaft zu entwickeln. Wenn ich nicht gerade blogge oder Märchen erzähle, sitze ich mit einem Buch und meinen Katzen auf dem Sofa.
Hallo Lilo, das Rätsel war wirklich einfach zu lösen. Das Bild ist aus der Sandskulpturen-Ausstellung 2020 in Travemünde zum Thema…
Hallo Bettina, dass es die 7 Geißlein waren, war für mich ziemlich einfach erkennbar durch die Ziegenköpfe. Das Bild ist…
Liebe Gabi, vielen Dank für deinen Kommentar! Herzliche Grüße Bettina
Ja, dieser Lookism ist auch ein Teil davon und der Anpassungsdruck kann sich wie Terror anfühlen.
Hallo Britta, ganz genau so ist es!
hallo Bettina, na das sind die sieben Geißlein also korrekt der Wolf und die sieben Geißlein. und das kleinste wird…
Liebe Bettina, wie gekonnt du die Sprache eingesetzt hast, um auf dein Thema aufmerksam zu machen, klasse! Das Kleine ist…