Zur Hochzeit des Prinzen waren viele Gäste geladen und alle, alle kamen. Unter ihnen waren die drei Feen des Landes. Auch für die Feen war diese Hochzeit eine Überraschung. Der Prinz hatte sich Hals über Kopf in eine Unbekannte verliebt und sie schon nach drei Tagen geheiratet. Er hatte seine Frau noch niemals gesehen, sondern lediglich ihr Parfüm gerochen und ihre rechte Hand erblickt. Die Gäste erzählten einander, dass die Großmutter gesagt haben sollte: „Unsere Familie ist so vornehm, dass ein Mann die Frauen erst in der Hochzeitsnacht zu Gesicht bekommt.“ Bei der Hochzeitszeremonie war die Braut in dichte Schleier gehüllt gewesen.

Der Prinz wusste nicht, dass die Unbekannte, die er gerade geheiratet hatte, weder jung noch schön war. Sie war 94 Jahre alt und die Älteste von drei Schwestern. Die jüngste, die 65jährige Schwester, hielt er für die Großmutter. Die Alte hatte ihm bei einem Spaziergang durch die Gässchen der Stadt ein wohlriechendes Taschentuch vor die Füße fallen lassen. Berauscht von dem Duft und von der Fantasie seiner wunderschönen Besitzerin hatte er an die Tür der drei Schwestern geklopft. Die wunderschöne Hand, die ihm die drei Schwestern gezeigt hatten, gehörte in Wahrheit einer Alabasterstatue…

Keiner der Gäste kannte die Braut und nun waren sie voller Neugier, sie endlich selbst zu sehen. Aber wie erstaunten sie, als der Bräutigam allein an der Hochzeitstafel saß. Die Braut hatte sich schon zurückgezogen. Dennoch aßen, tranken und feierten die Gäste bis tief in die Nacht hinein.

Endlich verließ ein Gast nach dem andern den Palast. Auch die drei Feen machten sich auf den Heimweg. Der Prinz begab sich in das Brautgemach. Die Braut lag schon im Bett und die Schwestern hatten die Lampe mitgenommen. Der Prinz zündete eine Kerze an, legte sich ins Bett und hob voller Vorfreude die Bettdecke. Aber wie erschrak der betrogene Prinz als er anstelle der wunderschönen Jungfrau eine runzlige Alte darunter fand. Einen Augenblick war er starr vor Staunen. Dann packte er die Alte, riss sie aus dem Bett, trug sie auf den Balkon hinaus und warf sie unbarmherzig hinunter. Die Braut jedoch hatte Glück und blieb mit einem Zipfel ihres Nachtgewands an einem Pfosten hängen.

Als die drei Feen auf ihrem Heimweg an dem Balkon vor dem Brautgemach vorüber gingen, erblickten sie eine Gestalt, die, in ein weites, wallendes Nachtgewand gehüllt, an einem Pfosten zappelte. Weil sie Feen waren, wussten sie, wen sie da vor sich hatten und riefen alle drei: „Da ist ja die Braut!“ Nun sahen auch sie: Die Braut war keine Jungfrau mit rosiger Haut, mit Haaren und Augen so dunkel wie eine Sommernacht, sondern eine runzlige Alte mit grauen Haaren und trüben Augen. Die Feen brachen in Gelächter aus. Ja, sie lachten laut, lange und sehr vergnügt. Dann sprach die erste: „Wir haben uns auf deine Kosten gut amüsiert. Nun wollen wir dir auch etwas Gutes tun. Ich wünsche dir, dass du so schön wirst, wie ich es bin.“ Die zweite sprach: „Ich wünsche dir, dass dich dein Gatte liebt, so lange er lebt.“ „Und ich wünsche dir Glück und Zufriedenheit“, sprach die dritte. „Aber wenn du auch nur einem einzigen Menschen von uns und unseren Wünschen erzählst, wird wieder alles so sein wie zuvor.“

Mit diesen Worten verabschiedeten sich die drei Feen und verschwanden. Sie ließen eine junge Frau zurück, schlank und biegsam wie eine Palme, mit Wangen, so zart wie Rosenblüten, Lippen so rot wie ein Granatapfel, Augen wie Smaragde und Haaren, so dunkel wie eine Sommernacht.

Als der Prinz am anderen Morgen aus dem Fenster sah, traute er seinen Augen kaum: anstelle einer runzligen Alten hing eine junge Frau am Pfosten, die genauso schön und lieblich war wie das Parfüm, das sie trug. Er knotete ein paar Laken aneinander, ließ das eine Ende hinunter, zog die Erschöpfte behutsam hinauf und bettete sie auf ein Ruhelager. Dann bat er sie um Verzeihung. Die wurde ihm auch gnädig gewährt. Kurz und gut: Die beiden wurden ein glückliches Paar.

Hin und wieder dachte der Prinz: „Habe ich in meiner Hochzeitsnacht tatsächlich eine alte Frau in meinem Bett gehabt? Oder habe ich im schwachen Kerzenschein ein Trugbild gesehen? Wie habe ich mich nur so täuschen können! Ein Glück, dass meine Frau damals mit ihrem Nachtgewand am Pfosten hängen geblieben ist!“

Gefragt hat er seine Frau nie und die hat nie auch nur eine Silbe über ihre Begegnung mit den drei Feen erzählt. So lebten sie glücklich und vergnügt bis ans Ende ihrer Tage.

Eine Geschichte nach dem türkischen Märchen „Die drei Schwestern“ von Bettina von Hanffstengel