Ich erzähle die Version des Märchens aus der 1. Auflage der Kinder- und Hausmärchen. Du kannst sie hier nachlesen. Sie unterscheidet sich in ein paar wesentlichen Punkten von der bekannteren Version des Märchens aus der 7. Auflage, die 1857 erschien und die letzte Auflage der Kinder- und Hausmärchen war, die noch von den Brüdern Grimm selbst überwacht und redigiert wurde.

In der Version aus dem Jahr 1857 schließt eine Zauberin Rapunzel in ihrem Turm ein. Rapunzel verrät sich durch den Satz: „Sag mir doch, Frau Gothel (hessisch für Patin), wie kommt es nur, es wird mir viel schwerer dich heraufzuziehen als den jungen Königssohn, der ist in einem Augenblick bei mir.“ Dadurch erkennt die Zauberin, dass sie betrogen wurde, verstößt Rapunzel und diese muss in einer Wüstenei leben.

In der Version aus dem Jahr 1812 schließt eine Fee Rapunzel in ihren Turm ein. Rapunzel fragt die Fee arglos und unbedarft: „Sag mir doch, Frau Gothel, meine Kleiderchen werden mir so eng und wollen nicht mehr passen.”

Diese Variante gefällt mir viel besser, weil sie glaubwürdiger ist. Laut Wikipedia entfernte Wilhelm Grimm aufgrund von Leserprotesten diesen Hinweis auf Rapunzels Schwangerschaft. Schließlich handelte sich bei diesen Märchen um Geschichten für Kinder, die sittlich gebildet werden sollten. Da passte eine unverheiratete, schwangere Märchenheldin nicht ins Bild.